In Verden wurde eine Karategruppe für Senioren gegründet. Denn auch im höheren Alter ist Karate eine ideale Betätigung.
Verden – Normalerweise wird Karate barfuß und im schlichten, weißen Anzug, dem Gi, trainiert. Doch bei der neu gegründeten Ü60-Gruppe des Karateverein Bushido Verden ist das keine Pflicht. Auch der Kampfschrei ist nicht zu hören, weil hier manches ein bisschen anders als in üblichen Karate-Kursen ist. Zehn Kampfsport-Schüler treffen sich wöchentlich zum Karatesport. Dabei ist die Bezeichnung Schüler ambitioniert, da sich das Gros der Karatesportler bereits im Ruhestand befindet und die jüngste der Truppe 60 und der älteste bereits 77 Lenze zählt.
„Was, du machst noch Karate?“, haben fast alle Teilnehmer bereits zu hören bekommen, die jeden Mittwoch für 60 Minuten in der Turnhalle der Verdener Nicolaischule Senioren-Karate üben. Doch darüber können die Karate-Oldies nur lachen, da dieser Sport für sie die ideale Betätigung ist. Monika Harms etwa ist mit großem Eifer dabei und hat so das Sportliche in ihrem Leben wieder aktiviert. „Ich habe schon einmal Karate gemacht, aber das ist lange her“, erzählt sie. Die Wiederaufnahme des Sports bekomme ihr gut und sie sei bereits spürbar fitter. Außerdem, so Harms, sei Karate ja nicht nur Bewegung, sondern auch gut fürs Hirn.
Die 65-Jährige fühlt sich dadurch auch in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt. „Ich bin oft spät abends noch in Bremen unterwegs und nutze dabei die öffentlichen Verkehrsmittel, die zu später Stunde nicht unbedingt stark frequentiert sind. Das hat mich in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal etwas verunsichert“, erzählt die Verdenerin. Karate helfe ihr dabei, Angstgefühle zu kanalisieren und gebe ihr Sicherheit, in bestimmten Situationen adäquat reagieren zu können. „Ich fühle mich für den Ernstfall besser gerüstet. Ich war zwar nie ein ängstlicher Mensch, doch jetzt gehe ich noch sicherer durch die Welt. Ich habe einen aufrechteren Gang und bin standfester geworden weil ich weiß, dass ich mich wehren kann“, berichtet sie.
Mitten im Gespräch kommt das nächste Kommando von Trainerin Ulrike Maaß: „Die linke Hand zur Faust ballen, den rechten Unterarm ans linke Ohr führen, und umgekehrt den linken Unterarm ans rechte Ohr!“, gibt Maaß vor, die die Gruppe gemeinsam mit Dr. Björn Emigholz trainiert. Die Bewegungen werden auf japanische Zählkommandos ausgeführt, wobei die Übungsleiter großen Wert auf die technisch korrekte Durchführung legen. So mancher Schüler stöhnt dabei, denn obwohl die Übungen für einen Laien leicht ausschauen, fällt es nicht allen leicht, gleichzeitig Kopf, Arme und Beine in Einklang zu bringen. Aber wie heißt es doch: Aller Anfang ist schwer. „Aber es ist zu schaffen, auch im Alter!“, versprechen Maaß und Emigholz.
„Ich war von Anfang an begeistert“, sagt Henrik Kempski, der ebenfalls schon Karateerfahrung hat. Der Verdener hat sich mit seiner Frau für die Wiederaufnahme des Sports entschieden und findet es schön, ein gemeinsames Hobby auszuüben. „Ich habe im Alter von 57 Jahren mit Karate begonnen und im Kopf nie damit aufgehört. Jetzt bin ich 67, werde bald 68 und die Zeit war reif für den sportlichen Neubeginn.“ Die Abfolge der Bewegungen, die Richtungs- und Seitenwechsel seien zwar eine Herausforderung, meint er und räumt ein, dass er nach dem Training nicht nur körperlich sondern auch geistig manchmal ein wenig müde sei. Die Frage, ob er und seine Frau nun vorhätten den Weg bis zum schwarzen Gürtel zu gehen, wird klar verneint. „Uns geht es um den Weg, um das Karate an sich.“
Nicht nur die Schüler, sondern auch die beiden Übungsleiter haben mit der Gründung der Ü60 Gruppe Neuland betreten. „Bislang haben ältere Karateka mit den Jüngeren zusammen trainiert. Dann wollten zwei Damen lieber unter ihresgleichen trainieren und haben die Gründung einer Ü60- Gruppe angeregt“, berichtet Maaß. Dafür werden keine Voraussetzungen benötigt, betont die Schwarzgurt-Trägerin. „Im Grunde genommen muss man sich vorher nicht einmal sportlich betätigt haben.“ Denn beim Karate sei vor allem Geduld das A und O. Dafür wird in den kleinen Verschnaufpausen umso öfter miteinander geflachst und gelacht. Karate sei perfektionistisch und wer selbst keine Geduld habe, tue sich unweigerlich schwer.
Quelle: https://www.kreiszeitung.de/lokales/verden/verden-ort47274/karate-geduld-ist-wichtiger-als-ein-junger-koerper-92599252.html